Autorin: Raffaela Rogy
Samuel Beckett schrieb im Zeitraum von 1966 bis 1986 eine Reihe von Fernsehspielen für den Süddeutschen Rundfunk (SDR), in denen er neue und innovative Möglichkeiten für den Einsatz von Räumlichkeit, Klänge und Stille öffnete.
Verlag: absolut medien Erscheinungsort: Berlin Erscheinungsjahr: 2008
In der „filmedition suhrkamp“ reiht sich neben Kluge und Brecht auch Samuel Beckett mit seinen sechs Fernsehspielen, die unter seiner Mitwirkung für den SDR (heute SWR) gedreht wurden, in den Olymp der Anerkennung mit ein. Neben der DVD mit Becketts Fernsehspielen befindet sich auch ein Begleitheft mit den Essays „Erschöpft“ von Gilles Deleuze und „Samuel Becketts Fernseharbeiten“ von Dietmar Kammerer. Deleuze operiert mit analytischen, interpretatorischen und philosophischen Werkzeug an Samuel Becketts Wirken, Kammerer hingegen verschreibt sich dem aufklärerischen Handwerk mit feiner Stilistik und gewährt der Leserschaft Einblicke in die Entstehung der Fernseharbeiten Becketts.
Samuel Becketts Werke betreten meist den Raum der Reduktion und der streng festgelegten Wort- und Bewegungsabläufe, in dem sich Türen für lebendiges Schweigen, Musikalität und neue Bilder öffnen. Im ersten Fernsehspiel „He, Joe“ (1966) kommt die angesprochene Reduziertheit klar zum Tragen: eine Kamera, die ohne Schwenk und Schnitt verfährt, nimmt in einer Fahrt den Protagonisten Joe von der Totalen bis zur Nahaufnahme auf, während eine Stimme aus dem Off spricht. Im Jahre 1979 wurde eine neue leicht veränderte Version von „He, Joe“ inszeniert, die ebenfalls in die Edition aufgenommen wurde. In den Fernsehspielen „Geistertrio“, „… nur noch Gewölk …“ und „Not I“, die unter dem Titel „Schatten“ (1977) gesendet wurden, wird in den beiden erst genannten die Thematik von „He, Joe“ adaptiert, aber dramaturgisch und technisch differenziert umgesetzt: die Kamera bekommt Schnitte und Achsensprünge zugesprochen, Musik wird eingesetzt, auch Doppelungen werden integriert, etwa, in dem die für den Rezipienten sichtbaren Gegenstände von der Offstimme beschrieben werden. Ein weiteres, bekannteres Fernsehstück ist „Quadrat“ (1981), in der vier Darsteller, begleitet von Schlagzeugrhythmen, in farbigen langen Gewändern einer strikten Bewegungschoreografie mit symmetrischen Linien folgen. In der Version I von „Quadrat“ sieht man dieses „abstrakte Fernsehballett“ (Kammerer) in Farbe und in der darauf folgenden Version II in Schwarzweiß. Die beiden zuletzt entstandenen und ebenso minimalistisch gehaltenen Fernsehspiele sind „Nacht und Träume“ (1983) und „Was Wo“ (1986).
Gilles Deleuze arbeitet in „Erschöpft“ mit der Präzision eines Kupferstechers das Fernsehschaffen von Samuel Beckett heraus und bettet das schriftstellerische wie auch das theatrale Werkelement des Nobelpreisträgers ein, sodass ein hohes Maß an Aufmerksamkeit dem Leser abverlangt wird um die feinen Linien des Deleuzeianischen Bildes von Beckett zu erkennen. Um das Beckettbild zu verstehen wird dem Rezipienten Achtsamkeit und Geduld abverlangt: Samuel Beckett schöpft das Potenzial des Fernsehens so weit aus, indem er Bilder kreiert, die weder „innen“ noch „außen“ sind – sie wurzeln in einer Imagination, die weder den Stempel von „Geschichte noch kombinatorischer Vernunft“ aufgedrückt bekommen (vgl. Kammerer). Dies meint Deleuze wenn er Becketts Fernsehspielen die sogenannte Sprache III zuspricht, eine Sprache, die sich loslöst von Subjekten und Dingen um ein reines Bild zu erzeugen. Sprache I, ist jene aufzählerische Arbeit von Wörtern die in Romanen vorherrscht und erschöpft sie sich tritt die Phase der hörbaren und gesprochenen Sprache II, die auf der Bühne oder im Radio verortet ist, auf; nach der Erschöpfung dieser zweiten Sprache, schöpft Beckett die Sprache III im Fernsehen, eben indem er „[…] ein reines, unbeflecktes Bild schaff[t] […] ohne mit irgend etwas Persönlichem oder Rationalem behaftet zu sein, und zum Undefinierten vorzudringen wie zu einem himmlischen Zustand“ (Deleuze). Diesen „himmlischen Zustand“, den der schweigende Beckett mit überwiegend Grauschattierungen und der Befreiung von Sprache im Fernsehen realisiert hat gibt, wie auch die vorliegende Edition sehr schön beweist, zu denken.
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