Am 8.11.2017 konnten ca. 150 Gäste erstmalig die Räume der Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne besuchen. Vor der Eröffnung fand ein Podiumsgespräch im Humboldt-Saal mit dem Literaturwissenschaftler und Beckett-Forscher Mark Nixon (University of Reading), dem Schriftsteller Wilhelm Genazino und Jan Bürger (Moderator, DLA) statt.
Angesprochen wurden Becketts Stationen und Begegnungen, seine Interessen, Einflüsse und Gedanken während seiner Deutschland-reisen. Wilhelm Genazino erzählte über seine Eindrücke, die er von Beckett während einer Probe am Schiller-Theater hatte. Mark Nixon sieht -und dies wurde nachvollziehbar dargelegt- Beckett als einen europäischer Schriftsteller. Als den entscheidenden Auslöser für Becketts Deutschlandreisen wurde auch noch einmal die Liebesbeziehung zu Peggy Sinclair, seiner irischen Cousine, angesprochen, die er zwischen 1928 und 1932 (?) mehrfach zu Weihnachten in Kassel besucht hatte. Kurz erwähnt wurde auch, dass die große Deutschlandreise Becketts zwischen Sept. 1936 und April 1937 und seine Beschäftigung mit der deutschen Kulturlandschaft auch auf dem Hintergrund zu sehen ist, dass sich Beckett zu dieser Zeit in einer Selbstfindungsphase befand (seine Anerkennung als Schriftsteller erfolgte sehr viel später; sein Roman Murphy (1938 erschienen) zB wurde mehrfach von den Verlagen abgelehnt). In dieser Zeit entstanden die „German Diaries“, die u.a. Becketts Eindrücke und Analysen aus seinen zahlreichen Besuchen in Museen, Galerien und bei Sammlern (ca. 500 Werke sind dokumentiert) beschreiben.
Die Ausstellung zeigt einige Manuskriptseiten der „Diaries“ aus den ursprünglichen 6 Kladden. Dank Mark Nixon werden wir in ca. 2 Jahren diese Tagebücher in deutscher Übersetzung lesen können. Becketts frühe Deutschlandreisen waren Ausflüge in die Literatur (er liest u.a. Goethe, Rilke, Kafka, später Hölderlin), Musik (Vorliebe zu Schubert und Beethoven), Malerei, Bildhauerei, Theater, Film. Während seiner großen Reise verfolgte und analysierte Beckett natürlich auch die Ereignisse im Nazi-Deutschland. Die Reden Hitlers und Göbbels, die Weltanschauung der Nazis verursachten bei ihm Brechreiz. Seine Reisen in der 1960er/1970er Jahren waren „arbeitsbedingt“: Inszenierungen am Schiller-Theater Berlin, Fernsehspiele/Hörspiele beim SDR Stuttgart.
Die Ausstellung vermittelt Becketts Deutschland und Becketts kulturgeschichtliche Bedeutung auf sehr eindrückliche Weise anhand zahlreicher Dokumente; besonders hervorzuheben Becketts Bekanntschaft 1953 mit Peter Suhrkamp und später mit Siegfried Unseld (die Verbindung mit dem Suhrkamp Verlag blieb bis zu Becketts Tod 1989). Becketts Erfolgsgeschichte in Deutschland ist ohne diese Verbindung wohl nicht denkbar.
Herzlichen Dank an die Ausstellungsmacher Mark Nixon, Dirk Van Hulle, DLA-Team, Ellen Strittmatter (Kuratorin).
Die Ausstellung geht noch bis 29. Juli 2018 und ist wie auch das Ausstellungsbuch (Marbacher Magazin 158/159; 20 Euro) sehr zu empfehlen.
Zu Foto 1: v.l. Mark Nixon, Jan Bürger, Wilhelm Genazino, Zu Foto 2: v.l. Mark Nixon, Konstanze Liebelt (1. Vorsitzende SBG), Günther Görgen (SBG, SBG Blog), Wilhelm Genazino