Beckett und seine Verleger

Mark Nixon: „Publishing Samuel Beckett“. The British Library

Von Anja Kampmann

Der Aufsatzband „Publishing Samuel Beckett“ wirft ein neues Licht auf die Publikationsgeschichte des irischen Schriftstellers. In 17 Texten widmen sich die Autoren der Frühphase und der Entwicklung von Becketts Karriere – und geben einen Einblick in die Beziehungen des Autors zu seinen Verlegern.

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„Ich bin ihm 1955 begegnet, wir haben einen Abend zusammen gehabt, wir haben uns befreundet und das dauerte bis seinen Tod 1989.“

Als Freundschaft bezeichnet der langjährige Verleger Samuel Becketts, John Calder, seine Beziehung zu dem irischen Autor. Die beiden begegnen sich 1955 und bleiben einander bis zu Becketts Tod verbunden:

„Und ich war mit ihm ziemlich oft bei Konzerten und in der Oper, und ich habe mit ihm sehr oft über Philosophie und Literatur und Musik und Politik geredet. Philosophie, ja, was er gelesen hat und seine Ideen, das hat mich auch sehr beeinflusst. Ich habe gelesen, was er gelesen hat.“

Doch nicht nur John Calder, auch andere Verleger begleiten und fördern Samuel Beckett seit den 30er-Jahren. Erstmals wirft jetzt der Aufsatzband „Publishing Samuel Beckett“ einen dezidierten Blick auf die einzelnen Phasen in der Publikationsgeschichte Becketts. In 17 Aufsätzen widmen sich die Autoren der Frühphase und der Entwicklung von Becketts Karriere bis hin zum Nachlass des Autors. Mark Nixon ist der Herausgeber des Bandes:

Die grundsätzliche Absicht des Buches ist, verschiedene Verleger und ihre Reaktionen auf Becketts Arbeit in den Blick zu nehmen, wie sie seine Arbeit auffassen, und auf den literarischen Markt bringen. Und genauso geht es in dem Buch darum, wie Beckett selbst auf den Buchmarkt reagierte, wie er mit seinen Verlegern kommunizierte. Das Buch fußt im Wesentlichen auf Verlagsarchiven, und bezieht also alles aus dem Calder-Archiv, dem Suhrkamp-Archiv und den Papieren von Faber und Faber mit ein, und all das gibt Aufschluss über die Preise, den Vertrieb und Verkauf.

Es sind nicht nur die Zahlen, die in der Publikationsgeschichte Becketts von Bedeutung sind. Vielmehr geben die Archive auch einen Einblick in die unsichere Anfangsphase Becketts in den 1930er-Jahren. In diesem ersten Teil des Buches begegnen wir einem jungen Mann, der zwischen Paris, London und Dublin umherzieht, nur gelegentlich in einer Literaturzeitschrift veröffentlichen kann und vor allem – abwarten muss. Lois Overbeck bezieht sich auf die frühen Briefe Becketts und zeichnet so ein Bild des jungen, zweifelnden Autors:

Er ist ein sehr junger Mann, der mit seinen Fähigkeiten experimentiert, nicht sicher, ob sein Schreiben etwas taugt, und nicht einmal, ob dieses Kriterium wichtig für ihn ist. Er hat wenige, nahe Freunde, mit denen er über seine Arbeit spricht, aber er ist fast 50 Jahre alt, bevor „Warten auf Godot“ aufgeführt wird, und er hat also eine lange Zeit in einer Reifephase und großen Unsicherheit verbracht. Als er dann seine Verleger gefunden hat, helfen sie ihm sehr, diese Angst loszuwerden und er kann die Energie stattdessen in sein eigenes Schreiben überführen.

Nicht nur für Beckett selbst waren seine ersten Veröffentlichungen mit herben Rückschlägen verbunden. Auch der kommerzielle Druck wird schon bei seiner ersten Publikation deutlich, so Mark Nixon:

Man darf nicht vergessen, dass Beckett in den 1930er-Jahren kaum Bücher verkauft hat. Sein erstes Buch, „More Pricks than Kicks“, war ein finanzieller Albtraum für Chatto & Windus. Sie haben damit einen großen Verlust gemacht, und nur sehr wenige Exemplare wurden verkauft. Er hat also fast nur in Zeitschriften veröffentlicht, bis er nach dem Krieg seine wichtigen Verlagshäuser fand. Diese wurden erst in den 1950er-Jahren gegründet, und waren viel offener für experimentelles Schreiben als die meisten großen Verleger. Und sie waren alle, wenn man an Calder denkt, an Lindon, sehr aktiv im Kampf gegen jede Art von Zensur.

Von mehr als zwei Dutzend Verlegern wurde Becketts Roman „Murphy“ abgelehnt, bevor er 1936 bei Routledge erschien. Im Buch abgebildet ist eine handschriftliche Liste dieser Absagen, kopiert aus einem Notizbuch des Autors. Erst nach dem Krieg, und nach zahlreichen weiteren Versuchen, begegnet Beckett in Paris Jérome Lindon, der fortan die französischen Texte Becketts verlegen wird. Im zweiten Teil des Buches, über den aufstrebenden Beckett, markiert Shane Weller diese Begegnung als einen Wendepunkt:

Als Lindon ihn in die Edition Minuit aufnahm, war Beckett vollkommen unbekannt, ohne großes Ansehen und mit miesen Verkaufszahlen – und das war wirklich ein bemerkenswertes Zugeständnis von Lindon! Er hat sofort die Wichtigkeit von Becketts Texten erkannt und respektierte ihn so sehr, dass er fast nichts an seinen Texten veränderte. Ich glaube, was wirklich deutlich wird, ist der stille Respekt, der absolute Respekt, den Lindon als Chef von Minuit für Beckett als Schriftsteller hatte, und auch Beckett hatte absoluten Respekt vor Lindon.

Dieser Respekt prägte auch die enge Beziehung von Beckett zu John Calder:

„Er wusste immer genau, was er geschrieben hat, und ich habe nichts geändert. Manchmal haben wir das ein wenig besprochen, einige Phrasen, aber ich habe gesagt nein, das muss so bleiben, ich will nichts streichen.“

Das Vertrauen der Verleger ist auch ein Vertrauen in Becketts Kampf mit dem Text: Der Arbeitsprozess, das Ringen mit dem Wort, wird schon im Paris der Nachkriegsjahre zum zentralen Moment in der Poetik Becketts. Dirk van Hulle zeigt in Publishing Beckett die Bedeutung der einzelnen Arbeitsschritte und das Potenzial der Archivarbeit für die Forscher:

„Ich habe Becketts Werk immer als ein Werk im Prozess verstanden. Er hat die Manuskripte aufbewahrt und sie dann an öffentliche Archive verschenkt, er wusste also sehr gut, dass man mit ihnen arbeiten würde. Um sein Werk tiefer zu verstehen, bieten die Manuskripte also eine hervorragende Möglichkeit.“

Auch nachdem sich 1952 mit „Warten auf Godot“ der Erfolg für Beckett eingestellt hat, und seine Stücke in den folgenden Jahren weltweit gespielt, seine Bücher in großer Auflage verkauft werden, bleibt er den Verlegern, die ihm anfangs geholfen haben, sehr verbunden. Der dritte Teil des Buches macht in fünf sehr detaillierten Aufsätzen die einzelnen Beziehungen zu seinen wichtigen Verlegern deutlich.

John Calder: „Er wollte immer die meiste Bedeutung in die wenigen Wörter finden.“

Einen durchgängigen Bogen von Becketts Anfängen bis zu seinem Spätwerk beschreibt die oft schwierige Beziehung des Autors zu Irland. Auch in dem sehr reduzierten Spätwerk Becketts tauchen Orte der Erinnerung immer wieder auf. Ein Phänomen, das Séan Kennedy hinterfragt. In Briefen und Manuskripten findet er Spuren der sehr feinen Beziehung von Beckett zu seinem Heimatland Irland.

Im Archiv kann man viel von dem irischen Material, das er während des Schreibens verwendet hat, finden; Spuren, die in den fertigen Texten wieder verwischt sind. Man kann ihn speziell mit den Werken von Yates, Joyce und irischer Geschichte und Kultur arbeiten sehen, und so bezeugt das Archiv seine andauernde Auseinandersetzung mit Irland.

Was die 17 Aufsätze in Publishing Samuel Beckett vermitteln, ist vor allem auch ein sehr persönliches Bild des Autors. Die präzise Archivarbeit gibt oft in kurzen Zitaten einen lebendigen Einblick in das Zweifeln und Hoffen Becketts – die Frage, ob er überhaupt als „commercial pilot“ taugt, oder Jahre später die Bitte an seinen Verleger, sämtliche Anfragen für Interviews an seiner Stelle zu bearbeiten. Reaktionen auf Becketts Werk von bildenden Künstlern und Musikern werden im letzten Teil des Buches aufgegriffen. Ein Aufsatzband, der einen oft schwierigen Weg ohne Verallgemeinerungen nachzeichnet und dabei vor allem eines bleibt; menschlich.

Séan Kennedy: „Ich glaube, er verband die Landschaft mit sehr wertvollen Erinnerungen an seinen Vater, mit der häufig schwierigen Beziehung zu seiner Mutter, und die Landschaft, besonders um Dublin, blieb bis zum Ende für ihn wichtig, ja, wurde sogar noch wichtiger, als er selbst älter wurde. Er macht sich mit seinen Arbeiten sehr angreifbar, vor allem die späteren Schriften, wenn er sagt, alles, was mich ausmacht, ist Gefühl, als er beschließt, nicht mehr der tolle, intelligente Universitätsstudent zu sein, sondern einfach über sich redet. Irland wird für ihn zu einer Art Ursprungsort, und er erinnert sich sehr liebevoll daran, auch wenn er vieles davon zuvor gehasst hat.“

Mit Publishing Samuel Beckett ist es den beteiligten Autoren gelungen, ein sehr feines Bild von Beckett und seiner Entwicklungsgeschichte nachzuzeichnen. Zugleich verweisen die Essays in ihrer Detailliertheit auf eine Vielzahl von Perspektiven, auch über 20 Jahre nach dem Tod des Autors neue Ansätze zu seinem Werk und Denken zu entwickeln.

Publishing Samuel Beckett
Aufsatzband, 17 Aufsätze, sieben Abbildungen
 Herausgegeben von Mark Nixon
London, The British Library, Frühjahr 2011, 252 Seiten, 45 GBP

Quelle:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/1587073/

 

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