Eine Anmerkung über Negativität

Ein Blogger, mit dem ich mich verbunden fühle, heißt Roberto J. De Lapuente. Er betreibt den Blog namens >>ad sinistram<<. Als man ihm eine zu negative Sicht der Welt vorwarf, reagierte er darauf mit einem Text, den ich mit einem eigenen ergänzte, und zwar mit diesem (an dessen Ende wird per Link auf Robertos Artikel hingewiesen):

Der Geist „gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder falsch, und nun, davon weg zu irgend etwas anderem übergehen; sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Auge schaut, bei ihm verweilt.“ (Hegel)

Roberto J. De Lapuente macht sich heute (19. Juli 2009)  Gedanken darüber, dass ihm „Leser“ seines Blogs vorwerfen, er sähe alles zu negativ. Dieser Vorwurf führt zu einem Grundproblem menschlichen Daseins, nämlich zu der Frage, wie wir dieses Dasein beurteilen? Helmut Kohl hat den Vergleich mit dem Wasserglas „erfunden“: Wenn es halb ist, nicht das Glas, sondern dessen Inhalt, wenn er also halb ist, ist es entweder halb voll oder halb leer. Mit dem Optimismus der HalbvollSicht kann man natürlich jede noch so marode Gegend in eine blühende Landschaft verwandeln. Der Kohl-ismus kann aber sehr schnell auch zynisch werden. Mir fällt da jenes Titelfoto eines Buches ein (oder war es ein Plakat von Staeck?), dass eine mit Schornsteinabgasen verpestete Gegend zeigte. Der Text dazu lautete: „Was wollt ihr denn, ihr lebt ja noch!“ Das heißt, so lange man noch lebt, ist „alles bestens“. Das Glas ist ja noch halb voll, wobei zumeist unterschlagen wird, zu fragen, wie lange das halbvolle Glas schon herumsteht. Bier wird nach einiger Zeit schal, Weißwein wird zu warm, Rotwein verduftet sich und so weiter. Ich will damit sagen, daß Problem von Halbvoll und Halbleer ist komplexer als der simple Vergleich uns glauben machen will.

Wer Roberto J. De Lapuente Negativität vorwirft, hat keine Ahnung von Literatur und Philosophie, insonderheit keine von Hegel, der Denken als negierende Kraft des Falschen „definierte“, und auch keine von Adorno, dessen „Minima Moralia“ ein Zitat von Ferdinand Kürnberger vorangestellt ist: „Das Leben lebt nicht.“ Zu den aphoristischen Denkern gehört Emil Cioran, der Bücher veröffentlicht hat mit Titeln wie „Auf dem Gipfel der Verzweiflung“ oder „Die verfehlte Schöpfung“. Unter den Schriftstellern ist Beckett wohl der größte Realist, über den Adorno sagte: „Trost findet man nur bei den Trostlosen“. Denn der Trostlose bestätigt einem die realitätsgerechte Wahrnehmung, was einen stärkt, während andere einen schwächen, indem sie versuchen, einem diese Wahrnehmung auszureden.

Wenn man sich die neoliberalen Mach(thab)er ansieht, heißen sie nun Madoff, Ackermann, Merkel, Hundt, Sarkozi, Berlusconi, um nur einige zu nennen, wenn man täglich lesen muss, mit welchem haarsträubenden Unsinn die Neoliberalen ihr falsches Leben rechtfertigen und den Betrogenen einzureden versuchen, dass ihre Menschlichkeit, ihre Gefühl für Gerechtigkeit Humanitätsduselei seien, dann kann man doch aufgrund der Tatsache, dass die Neoliberalen regieren, dass eine solche Regierung überhaupt möglich ist, nur von einer völlig verfehlten Schöpfung sprechen.

http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/07/in-eigener-sache

 

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