John Calder in der Festschrift zu Becketts 80. Geburtstag 1986

Neoliberalismus ist eng verknüpft mit einer Entsolidarisierung der Gesellschaft, Entsolidarisierung als Programm. Dafür stehen schon in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts Thatcher und Reagan.

John Calder, Verleger und Freund Becketts, bringt dies auf den Punkt:

>>Samuel Becketts Bewunderer sind wie Wladimir unfähig zu schweigen. Sie stehen unter dem Zwang, sich zu artikulieren und fühlen sich verpflichtet zu danken, nicht nur für die Einsichten, die uns Beckett als Schriftsteller in die Verfaßtheit des Lebens auf diesem Planeten vermittelt hat, sondern sie sind dankbar für etwas Tieferes und Persönlicheres: Beckett hat eine Ethik geschaffen, die den herrschenden Werten, welche unsere Gesellschaft vergiften, entgegengesetzt ist. Diese destruktiven Werte entspringen der Habsucht, der Geldgier und der Blindheit gegenüber der Realität und gegenüber dem Leiden der Anderen. Die wachsende Bereicherungsmentalität der Gesellschaft läßt diejenigen, die Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Mitgefühl für den Anderen als Lebensweise bevorzugen, naiv und anachronistisch erscheinen.

Zwar gibt es in allen Gesellschaften einen starken Hang zur Habgier, aber die meisten europäischen Länder sind nicht so ins Extrem gegangen wie Thatchers Großbritannien und Reagans Amerika. Ihre Favorisierung des egozentrischen Gewinnstrebens hat das Leben der Imagination, der Phantasie, der Poesie und alle Formen des Altruismus entmutigt.<<

(Übersetzung von mir; kb)

As No Other Dare Fail: For Samuel Beckett on His 80th Birthday by His Friends and Admirers, herausgegeben von John Calder,  London/New York, Calder/Riverrun Press 1986, ISBN 0-7145-4077-3

 

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